Einsetzen für innovative Sonderwirtschaftsregionen im Landkreis Bayreuth

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Für die Schaffung dieser kommunal begrenzten SWR ist die Anwendung folgender Unterstützungsmaßnahmen und deren Kombination durch die Staatsregierung oder ggf. auch das Landratsamt zu prüfen:

  • Die Ermöglichung der Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes der relevanten Gemeinden, indem ihnen der notwendige Ausgleich für potenziell entgangene Einnahmen aus dem Staatshaushalt gewährt wird.
  • Die Erhöhung des Freibetrags der Gewerbesteuer für Gesellschaften mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaften (GmbH & Co. KG) auf 30.000 Euro.
  • Dass Geldgeber von Start-ups ihre Investitionen sofort, komplett und in unbegrenzter Höhe von der Steuer abschreiben können.
  • Kapitalerträge steuerlich zu begünstigen, wenn diese direkt in die Startups reinvestiert werden.
  • Steuerfreibeträge für die finanzielle Beteiligung von Mitarbeitern der Start-ups auf 3.000 Euro erhöht werden.
  • Senkung der Stromkosten über die Abschreibungsmöglichkeit der Strom- und CO2-Steuern.
  • Vereinfachung bürokratischer Verfahren nach dem Vorbild der nordrhein-westfälischen „Entfesselungspakete“.
  • Schaffung „regulatorischer Sandkästen“ für Anwendungen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantencomputing und Blockchain.
  • Der gezielte Ausbau von digitalen Netzen, insbesondere von FTTP-Anschlüssen.
  • Die Planungsbeschleunigung für Verkehrsinfrastrukturen durch integrierte Planungs- und Genehmigungsverfahren, vereinfachte Verfahren für Ersatzneubauten und Erweiterungen sowie Maßnahmengesetze.
  • Die aktive Einbeziehung der relevanten Gründerzentren in Niederbayern und Ober- franken.
  • Die aktive Einbeziehung der relevanten bayerischen universitären Bildungseinrichtungen, u.a. über das Angebot relevanter Studiengänge und weiterführende Kooperationsmöglichkeiten.
  • Gezielte Förderung mit Mitteln des EFRE, der „europäischen territoriale Zusammenarbeit“ (INTERREG), der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), des Zentralen Innovationsprogramms „Mittelstand“ (ZIM), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“, des Programms „Regionale unternehmerische Bündnisse für Innovation“ (RUBIN), des Programms „REGION.innovativ“, sowie aller relevanten regionaler Förderprogramme für die gewerbliche Wirtschaft auf Landesebene.
  • Gezielte Förderung mit den Mitteln der „Hightech Agenda Plus“ und „BAYERN Digital“ für die Förderung von Start-ups in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantencomputing und Blockchain.
  • Gezielte Förderung mit den Mitteln des bayerischen Wachstumsfonds Bayern II für die Förderung von Start-ups.


Die Konformität dieser Unterstützungsmaßnahmen mit dem EU-Beihilferecht ist sicherzustellen.


Der Landrat wendet sich unter Verwendung der oben genannten Argumente an die Staatsregierung und fordert die Schaffung einer solchen SWR für den Landkreis Bayreuth zu prüfen. Die Fraktions- und Gruppensprecher erhalten die Möglichkeit, das Schreiben unterstützend zu unterschreiben.



Begründung:

Zu den wirtschaftlichen Problemen Bayerns zählen zum einen die regionale Entwicklungskluft und zum anderen die rückläufige Zahl von Unternehmensgründungen, die selbst wiederum Teil der abnehmenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft sind. An der Lösung dieses bayernweit existierenden Problem für vor allem ländliche Räume kann sich auch der Landkreis Bayreuth aktiver beteiligen.


Im Jahr 2019 war das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Kaufkraftparität in Oberfranken und Niederbayern laut Eurostat um über ein Drittel niedriger als in Oberbayern.[1] Und wenn im Zeitraum 2007 bis 2009 noch 46 Prozent (64 Prozent) der deutschen Early Stage (Later Stage) Investitionen in Start-ups in Bayern und Baden-Württemberg getätigt wurden, so waren es zwischen 2016 und 2018 nur noch 28 Prozent (27 Prozent).[2]


Eine vielversprechende Möglichkeit, private Investitionen und die Zahl der Firmengründungen insbesondere in Zukunftsbranchen wie IT und Digitalisierung zu steigern und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung unserer Region anzukurbeln, ist die Idee von Sonderwirtschaftsregionen (SWR).


In der EU gibt es ca. 100 SWR, davon 14 in Polen und vier in Spanien. Dass sie mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sind, zeigt die Tatsache, dass Italien erst 2018 12 neue SWR geschaffen hat. Mit Steuervorteilen und gut ausgebildeten Fachkräften versucht jetzt auch die griechische Regierung gezielt, Tech-Unternehmen ins Land zu locken. Deutsche IT-Firmen entscheiden sich deshalb vermehrt für Griechenland als Standort.[3] Leider wird dieses entwicklungspolitische Instrument in Deutschland noch nicht angewandt. Ministerpräsident Dr. Markus Söder sagte dazu 2019: „Wir brauchen Sonderwirtschaftsregionen. Auf der ganzen Welt ist das üblich, aber wir trauen uns das nicht.“[4]


Erst im Februar 2021 forderte Staatsminister der Finanzen und für Heimat Albert Füracker Steuervergünstigungen für die Start-up-Szene, darunter die Möglichkeit, etwaige Gewinne von Privatinvestoren von Start-ups steuerlich zu begünstigen, sofern diese wieder investiert würden, sowie die Erhöhung der Steuerfreibeträge für die finanzielle Beteiligung von Mitarbeitern an den Start-ups auf 3.000 Euro.[5] Berechnungen der Technischen Universität Darmstadt und der Ludwig-Maximilian-Universität München legen nahe, dass eine Steuersenkung der Kapitalertragsteuer auf Wagniskapital um einen Prozentpunkt dazu führt, dass ungefähr 1,4 mehr Startups pro zehn Mio. Einwohnern erstmalig finanziert werden.[6]


Beide Forderungen – nach einer Intensivierung der regionalen Kohäsionspolitik und nach einer besseren Unterstützung der Gründerszene – lassen sich in der Idee vereinen, in bestimmten Gemeinden, beispielsweise auch im Landkreis Bayreuth, SWR zu schaffen, die verschiedene Steuererleichterungen, Investitionsbeihilfen, Bürokratieabbau, regulatorische Sandboxen und andere Instrumente zur Innovationsförderung anbieten. Das Konzept der SWR und deren regulatorische Ausgestaltung wird u. a. vom IW Köln[7], der Stiftung Arbeit und Umwelt, der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)[8] und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft[9] vorgeschlagen.

Selbstverständlich kann der Landkreis mit seinen begrenzten juristischen Möglichkeiten dieses Ziel nicht selbst erreichen. Nichtsdestotrotz kann er, da solche SWRs für Gemeinden im Landkreis eine große Bedeutung haben könnten und Chancen bieten – insbesondere im Hinblick auf die aktuelle haushalterische Situation des Landkreises und den damit verbundenen Folgen für die Gemeinden – auf die zuständigen Stellen, insbesondere aber auf die Staatsregierung einwirken, um die entsprechende Unterstützung zu bekommen. Hierfür bitten wir um Ihre Unterstützung.


[1] (eurostat, 2021)

[2] (Johannes Bersch, 2020)

[3] (Schälter, 2021)

[4] (Jacques Schuster, 2019)

[5] (Handelsblatt, kein Datum)

[6] (Watzinger, 2017)

[7] (Dr. Klaus-Heiner Röhl, 2020)

[8] (Dr. Kajsa Borgnäs, 2018)

[9] (Kerler, 2020)